SW #39

Sonntag, der 21. Oktober 2012 @ 23:00

Alle Straßen verliefen schnurgerade, und am Ende jeder Straße lag der Horizont. Fahrräder, Fuhrwerke, Autos kreuzten das Blickfeld, tauchten auf, verschwanden, langsame, bewegliche Figuren auf einem großen Panorama. Ich sah mich selbst mit meinem Koffer gehen, das Blickfeld eines anderen kreuzend, eines Mannes, einer Frau, eines Kindes, die unter der an die Stirn gelegten Hand Ausschau hielten, werweißwonach, die gingen, fuhren, standen, verharrten, die sich anschickten fortzugehen oder einen Heimkehrer erwarteten. Hier, wo alle Straßen in die Ferne führten, schien das Gehen, Sehen, Kreuzen des Blicks eine unaufhörliche große Bewegung, ein Schaukasten des leisen Welttheaters, ein Aufziehspiel, das nie zu Ende ging.

Esther Kinsky, “Banatsko”

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.