Übrigens…

Unser Abschlussmagazin an der Deutschen Journalistenschule ist online.

Hier gehts zu hive, dem Medium für die digitale Gesellschaft.

Warum, wieso und was im Mission Statement von hive.

 

hive – das Magazin für die digitale Gesellschaft kommt

Bisher habe ich hier noch keine Meta-Artikel gepostet… da brauchte es schon was Besonderes: hive.

An der Deutschen Journalistenschule (DJS) müssen wir zum Ende unserer Print-Ausbildung ein Abschlussmagazin produzieren, 76 Seiten stark, erscheint im September. Das ist hive, es ist ein Magazin für die digitale Gesellschaft. Wir wollen das Ganze natürlich online begleiten, dort auch mit Formaten experimentieren. Heute haben wir deswegen den hive-Redaktionsblog aufgesetzt. Dort gibt es alle Infos und wir freuen uns über alle, die mit dabei sind, wenn hive wächst.

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Wir haben viele Ideen, eine sehr lange Themenliste – und nur sechs Wochen Zeit. Das wird viel Arbeit.

Aber sie wird sich lohnen.

Westerwelle und der Bumerang

Viel Kritik musste Außenminister Guido Westerwelle in den letzten Tagen für seine zurückhaltenden Ägypten-Äußerungen einstecken. Aber er hat Recht. Ein Kommentar.

Bei Guido Westerwelle ist es wie bei einem Bumerang. Er sagt etwas, und diese Worte fliegen stets in hohem Bogen zu ihm zurück. Die Opposition kritisiert ihn oft. Entweder seien seine Worte zu stark, man denke nur an seine Aussagen zu Hartz-IV, oder sie seien zu schwach, wie im Fall seiner Äußerungen zu den Protesten in Ägypten.

Die Situation dort ist nach der Videoansprache Hosni Mubaraks eskaliert. Anhänger des Präsidenten lieferten sich Straßenschlachten mit Demonstranten. Westerwelle mahnte daraufhin ein friedliches Vorgehen von beiden Seiten an und rief die Regierung Ägyptens auf, in den Dialog mit den Demonstranten zu treten. Für die Opposition ist das zu wenig. Westerwelle müsse „in Richtung Ägypten endlich eindeutig Stellung beziehen“ und auch Taten sprechen lassen, sagte etwa Grünenvorsitzende Claudia Roth.

Dass sich der sonst so redebedürftige und pointierte Westerwelle im Falle Mubarak Zurückhaltung auferlegt hat, ist jedoch berechtigt.

Denn die Freiheit, sein eigenes Schicksal zu lenken, ist eines jener Grundrechte, für die das ägyptische Volk gerade demonstriert. Würde Westerwelle Mubarak öffentlich zum Rücktritt auffordern, sich gar auf die Seite des säkulären Oppositionsführers Mohammed El-Baradei schlagen, wäre das eine unzulässige Einmischung in die inneren Angelegenheiten Ägyptens. Die Fortsetzung eben jener Politik, für die die Staaten des Westens in den letzten Jahren kritisiert wurden.

Jedes Volk muss sich seine Freiheit auf den Straßen selbst erkämpfen und in den Parlamenten anschließend verteidigen können. Nur, wenn das ägyptische Volk die Reformen der kommenden Monate ungestört debattieren und steuern kann, wird es dem neuen, hoffentlich demokratischen Staat seine Absolution erteilen. Zuviel äußere Einmischung in diesen Emanzipationsprozess behindert ihn nicht nur, sondern konterkariert ihn gar. Denn ein vom Westen öffentlich unterstützter Oppositionsführer und möglicher Präsidentschaftskandidat El-Baradei müsste in den Augen der ägyptischen Demonstranten wie eine Marionette erscheinen. Darin dem Präsidenten Afghanistans, Hamid Karzai, nicht unähnlich.

Die Geschichte zeigt jedoch, dass der Weg zu Freiheit und Selbstbestimmung für ein Volk schmerzhafter und steiniger sein kann als erhofft. Dass die Euphorie der Revolution durch Verbitterung ersetzt werden kann. Der Französischen Revolution folgte der terreur der Jakobiner, der deutschen Märzrevolution von 1848 die monarchistische Konterrevolution von König Friedrich Wilhelm IV. Letztlich konnte sich das Volk nur dort emanzipieren, wo es immer wieder auf seine Rechte pochte.

Wenn Grünen-Chefin Roth also verlangt, dass sich die Bundesrepublik öffentlich gegen Mubarak ausspricht, verlangt sie zuviel. Denn auch solch eine Stellungnahme Westerwelles käme mittelfristig wieder zurück wie ein Bumerang. Allerdings würde dieser uns alle dann treffen. In jenem Moment nämlich, in dem klar wird, dass ein reformierter ägyptischer Staat auch wieder zur Autokratie werden kann. In dem Moment, in dem die Revolution beginnt, ihre Kinder zu fressen – und das ägyptische Volk weder Kraft noch Willen hat, sie daran zu hindern.

[ Dieser Text ist im Rahmen meiner journalistischen Ausbildung entstanden und spiegelt den Nachrichtenstand von Donnerstag, dem 3.2., 21 Uhr wider.]

Die Mär vom „Westen“

Während sich die Ereignisse in Ägypten in den letzten Tagen überschlugen, wurde „der Westen“ erheblich kritisiert. Das Problem daran: Die Kritik trifft nicht ihr Ziel.

Er toleriere nur Umstürze, wenn er sie selbst initiiert habe. Seine realpolitische Strategie habe sich als gescheitert erwiesen. Erst seit den jüngsten Aufständen habe sich auch auch die Sprache der westlichen Politik flugs geändert. Diese Kritik an pragmatischem Opportunismus und realpolitischer Doppelmoral ist nötig und berechtigt. Aber sie ist problematisch.

Denn es gibt keinen politischen „Westen“, der eine einheitliche Strategie gegenüber Ägypten in den letzten Jahrzehnten entwickelt haben könnte. Es gibt vor allem die EU, deren Mitgliedsstaaten und die USA. Und alle drei agieren unabhängig voneinander. Was allzu schnell unter dem Begriff „der Westen“ zusammengefasst wird, bezeichnet eine kulturelle, wertgebundene Einheit. Aber keine geopolitisch-strategische.

Wie die drei Akteure in den letzten Jahren mit Ägypten umgegangen sind, zeigt das deutlich.

Die BRD konzentriert sich ihrer Zusammenarbeit auf die Förderung des wirtschaftlichen Sektors. Das ist klassische, realistische Außenpolitik. Auch die ersten Kommentare von Außenminister Guido Westerwelle und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg waren realpoltisch motiviert. Sie warnten vor Instabilität und dem radikalen Islam.

Bei den USA ergibt sich das gleiche Bild. Die bilaterale HIlfe umfasst zwei Milliarden Dollar, 1,3 Milliarden davon als direkte Militärhilfe. Die restlichen 700 Millionen fließen via USAID in verschiedene zivilgesellschaftliche Projekte sowie Programme, die die Governance-Qualität in Ägypten erhöhen sollen. Auch die USA waren zunächst äußerst zurückhaltend, die Menschenrechtssituation in Ägypten offen anzusprechen und Mubarak zu kritisieren. Stabilität war ihnen wichtiger.

Die EU ging anders vor. Ihr Programm für Ägypten umfasste zwischen 2007 und 2010 550 Millionen Euro und konzentrierte sich zu 60 Prozent auf Menschenrechte, Aufbau der Zivilgesellschaft und Justizreformen. Flankiert wurden diese Programme von ständigen Appellen an die ägyptische Regierung, die Menschenrechtsqualität zu verbessern. In ihren Berichte redet die EU kaum von etwas anderem. Auch mahnte Catherine Ashton, die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, bereits vergangenen Donnerstag die Einhaltung von Menschenrechte an. Von einer „Hofierung“ kann also keine Rede sein.

Die EU benutzt ihre enorme wirtschaftliche Macht als Hebel, um die Demokratie zu fördern. Für die Partnerländer bedeutet das: Nur, wer die Werte der EU übernimmt, kann die enormen Vorteile der EU, den Binnenmarkt etwa, nutzen. Diese Form der „soft power“, der Konditionalität hat sich vor allem in Osteuropa und der Türkei als äußerst erfolgreich erwiesen. Und sie unterscheidet sich in ihrer Konzeption fundamental von „hard power“, die vor allem die USA als größte Militärmacht des Planetens betreiben.

Den „Westen“ zu kritiseren, erweist sich da als Fehlschluss. Die USA und die einzelnen Nationalstaaten sollten die Adressaten von Kritik sein.