Warum ein Guttenberg zurückkehren muss

Nicht jetzt. Und nicht er. Aber Einer mit dem Talent von Guttenberg muss wieder kommen. Die Demokratie braucht Politikverkäufer. Denn sie sind auch Politiklehrer.

Er ist weg, die Diskussion bleibt. Wissenschaflter unterschreiben weiter den Offenen Brief an die Kanzlerin, die Facebook-Gruppe „Wir wollen Guttenberg zurück“ wächst minütlich. Es geht jetzt ums Prinzip. Die einen verteidigen die Würde der Wissenschaft, die anderen die Würde der Person Guttenberg. Beide machen öffentlich, was sie stört und durchbrechen so die Routine aus Resignation und Rückzug ins Private. Dass sich hier zwei Gruppen gegenüberstehen, ist gut. Öffentlicher Streit ist der Motor einer Demokratie.

Guttenberg hat viel Porzellan zerschlagen. Aber auch Menschen wieder politisiert, die den Glauben an die in Berlin schon verloren hatten. „Guttenberg war seit langem der erste Politiker, der es über die Wahrnehmungsschwelle dieser Bevölkerungsgruppe geschafft hat, alle übrigen verschwimmen in ihren Augen in derselben grauen Masse“, heißt es in einem klugen Kommentar auf Netzpolitik.

Wenn Kommentatoren oder Mitstreiter Guttenbergs „politisches Talent“ lobten, dann meinten sie diese Fähigkeit: Menschen erreichen und bewegen. Und die ist  kostbar, weil selten geworden unter den Technokraten und Verwaltungsfachangestellten in den Berliner Politikschmieden.

Dabei braucht die Demokratie solche Talente heute dringender denn je. Denn diese Politiker, die Hunderttausende für ihre Person mobilisieren können, könnten auch Hunderttausenden Politik in ihrer ganzen Komplexität vermitteln. Sie könnten ihre persönliche Glaubwürdigkeit wie einen Mantel um Sachtthemen legen: „Schaut her, dieses Thema ist wichtig, darüber müssen wir reden.“ Solche Politiker sind Demokratielehrer. Sie braucht es, um die Verdrossenen und Resignierten wieder ins Boot zu holen.

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Guttenberg, Öffentlichkeit und unsere Demokratie – Links zum Wochenende

Die Lüge ist ministrabel geworden (SpOn)

Die ganze Diskussion um Guttenberg drehte sich um ihn als Person, sein Amt, die Rolle der BILD-Zeitung und die Glaubwürdigkeit der Universität Bayreuth. Allerdings geht die Sache noch viel tiefer, an die Wurzeln unseres demokratischen Selbstverständnisses. Denn da hat nicht nur ein Doktorand abgeschrieben, sondern ein Minister, auf dessen Homepage  „Politik braucht klare Werte“ steht, das Volk belogen. Dass Guttenberg dafür nicht zurücktreten muss, sei eine Zäsur in der politischen Kultur der Bundesrepublik, schreibt Stefan Kuzmany auf SpOn. „Wenn ein Politiker von Werten redet und von Verantwortung, dann handelt es sich dabei nur um eine Simulation. Begriffe wie Anstand und Ehrgefühl werden nur bemüht, weil sie das Publikum gerne hören will. Doch sie bedeuten nichts. Das ist nicht gut für die Demokratie.“

Zivil-militärischer Medienkrieg (GFP)

„Die Presse ist kein Hindernis, sondern Teil des Schlachtfeldes. Sie müssen sie benutzen, von innen heraus. Wie Sonne, Nebel oder Schnee sind auch die Medien eine Rahmenbedingung der Schlacht.“ Nein, das hat kein zentralasiatischer Despot gesagt, sondern der Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte in Europa, Wesley Clark, anlässlich des Kosovo-Krieges. Das Zitat steht in der Einleitung zu einem neuen Reader Sicherheitspolitik der Bundeswehr. Formuliertes Ziel: „Der mediale Krieg sollte eine theoretische Unterfütterung erhalten.“ Wie die aussehen soll, wird auf den nächsten Seiten klar. Da schreibt etwa Niklas Schörning, Vorstandsmitglied der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung: „[Es ist] für die Regierung wichtig, eine Absicherungs- oder Hedging- Strategie gegen potenzielle eigene Opfer zu finden, da sich nur so die Opfersensibilitätsfalle umgehen lässt.“ ‚Opfersensibilitätsfalle‘ – lieber Leser, lass dir dieses Wort auf der Zunge zergehen. Was für ein Zynismus gegenüber den toten Soldaten und gegenüber dem Willen des Volks.

Retten die Blogger die Demokratie? (Nachdenkseiten)

Jens Berger von spiegelfechter.com, einer der führenden deutschen Politikblogs, bilanziert die politische Blogosphäre und kommt zu einem verhalten optimistischen Schluss. Die Polit-Blogger hierzulande sind Korrektiv zur Gatekeeper-Funktion der klassischen Medien“, sie können Protestbewegungen begleiten und bestenfalls verstärken. Um selbst Themen zu setzen, fehle es den deutschen Blogs aber an Reichweite und Professionalität.

18.Sachverständiger

Es ist ein Novum der deutschen Politik: Erstmals haben die Bürger die Möglichkeit sich direkt in den politischen Prozess des Bundestages einzubringen – ohne zuvor tausende Unterschriften für eine Petition zu sammeln. Auf enquetebeteiligung.de kann jeder mitreden und abstimmen. Noch geht es nur um Stellungnahmen zu den Arbeitsgruppen der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“, noch sind die Parlamentarier und Sachverständigen der Kommission zu nichts verpflichtet. Sie können diese Stellungnahmen in ihre Arbeit einfliessen lassen, müssen es aber nicht. Beteiligen sich jedoch genügend Bürger an der Erarbeitung der Stellungnahmen und haben diese inhaltliche Substanz, steigt der Druck auf die politischen Organe, solche Formen der Partizipation öfter einzusetzen. Für unsere Demokratie wäre das ein Glücksfall.

Schönes Wochenende!