Merkel und Obamas Syrien-Pläne – als hätte es den Kosovo-Krieg nicht gegeben

Freitag, der 6. September 2013 @ 20:33

Deutschland stützt den Syrien-Kurs von Barack Obama nicht. Angela Merkel hat das entsprechende Positionspapier als einzige europäische Staatschefin nicht unterzeichnet. Spiegel Online schreibt (ohne Autorenkennzeichnung):

„Offenbar hatte Merkel erwartet, dass auch andere Europäer nicht unterschreiben würden. Sie will zunächst eine gemeinsame Haltung der Europäischen Union finden, so heißt es aus der Bundesregierung.“

Merkel wusste nicht, wie Deutschlands Bündnispartner zu Syrien stehen, obwohl es in den letzten Tagen kein anderes Thema gab und klar war, dass Syrien beim G-20-Gipfel eine Rolle spielen wird. Wenn das stimmt, dann – egal, was inhatlich beschlossen wurde – ist das schlechtes Handwerk. Ein Anfängerfehler im 8. Jahr der Kanzlerschaft.

Viel wahrscheinlicher aber ist, dass Merkel das Papier aus wahlkampftaktischen Gründen nicht unterschrieben hat – und der Verweis auf die Europäische Union nur eine Finte ist, um davon abzulenken. Sie wird nicht vergessen haben, wie die Deutschen sie kritisierten, als sie den Irak-Krieg der USA unterstützte.

Auf Zeit Online tobt Politik-Chef Bernd Ulrich. Er sieht in der Syrien-Entscheidung den „Tiefpunkt von Merkels Kanzlerschaft“:

Ein begrenzter militärischer Einsatz, an dem man nicht mal teilnehmen muss, ausgeführt durch einen alles andere als kriegslüsternen Präsidenten, gerichtet gegen ein evidentes Verbrechen – einfacher kann man es nicht haben, einen Bündnispartner zu unterstützen. Dass Angela Merkel sich trotzdem verweigert, weil sie im Wahlkampf ist, markiert den bisherigen Tiefpunkt ihrer Kanzlerschaft. Glaubt sie eigentlich, dass Deutschland nie mehr Freunde brauchen wird?

Der erste Kommentar unter dem Artikel übrigens:

Ich finde, die Kanzlerin hat das einzig Richtige getan, egal, wie sich Opportunisten entscheiden. Meinen Respekt hat sie dafür.

Diese Diskussionen erinnern stark an 1998 als Deutschland mit sich gerungen hat, ob es sich am Krieg gegen Serbien beteiligt, um die ethnischen Säuberungen im Kosovo zu stoppen. Nur, dass wir jetzt 2013 haben.

NACHTRAG, 7.9.2013, 17 Uhr.

Deutschland will die Syrien-Erklärung nun doch unterschreiben. Das hat Guido Westerwelle erklärt – und dabei nocheinmal bekräftigt, dass Deutschland eine gemeinsame Haltung der EU abwarten wollte. Die EU-Regierungen forderten die USA auf nicht anzugreifen, ehe die UN ihren Bericht abgeliefert haben.

Die Erklärung hat Augen Geradeaus.

Bildquelle: Flickr

5 Kommentare auf „Merkel und Obamas Syrien-Pläne – als hätte es den Kosovo-Krieg nicht gegeben“

  1. Dieter

    Ist denn eindeutig geklärt, wer die Chemie-Waffen eingesetzt hat? Für Assad ergibt der Einsatz keinen Vorteil, so weit ich weiß, ist er militärisch wieder stärker, die Opfer waren aus seiner Volksgruppe. Ich habe die Informationen aus diesem Artikel: http://www.heise.de/tp/blogs/8/154881 , kann aber nicht beurteilen, ob das Insiderkenntnise oder „Insiderkenntnisse“ (also erfundene) sind.

    Ist die Beantwortung der Frage überhaupt wichtig, oder geht es nur darum, einen Grund zu finden, Assads Regime zu stürzen? Was passiert, wenn das gelungen ist?

    1. Rico Grimm

      Es ist wichtig, wer den Angriff durchgeführt hat. Allerdings sprechen aus meiner Sicht mehr Argumente für Assad als für die Rebellen: 1. Die Geheimdienste von USA, Frankreich und Deutschland sind sich einig, dass es Assad war. Insbesondere der BND dürfte kaum eine Motivation haben, gefälschte oder unsichere Beweise aufgrund politischen Drucks zu veröffentlichen. Zudem stimmt die Arabische Liga dieser Einschätzung zu. 2. Plausibilität: Assad hatte in der Vergangenheit schon Giftgas eingesetzt, warum sollte er es jetzt nicht wieder getan haben? 3. Die USA sind anders als im Irak-Krieg alles andere als kriegslüstern. Hätte Obama angreifen wollen, hätte er es schon längst tun können.

      Im Vergleich dazu sind die Punkte, die für die Rebellen sprechen, schwach. Obiger Artikel etwa zitiert nur Zeugen vor Ort. In den Aussagen finden sich nicht mehr als Mutmaßungen und Indizien.

      Andere wichtige Fragen sind natürlich, was danach passiert: Was macht der Westen, wenn Assad das Zeug nochmal einsetzt?

      1. Rico Grimm

        5. NYT-Reporter CJ Chivers hat sich den UN-Report angeschaut und kommt zu einem eindeutigen Schluss:

        Put simply, viewed through a common-sense understanding of the limits and conditions of the battlefield, the rebels could not have done this. Claims of rebel culpability are now specious; technically and tactically implausible, they are too outlandish for even a sci-fi script.

        http://cjchivers.com/post/61492045504/the-crux-of-the-weakness-of-claims-that-rebels

        1. Dieter

          Schön, daß Du am Thema dran bleibst. Ich wollte nicht Partei nehmen, und einem Krieg aus moralischen Gründen stehe ich keineswegs so ablehnend gegenüber, wie es vielleicht den Anschein hat. Aber nachdem die Zahl der Befürworter des Irak-Krieges nachträglich doch stark abgenommen hat, „wünsche“ ich mir dieses Mal einen überlegter und besser geplanten Einstieg in einen Krieg, bei dem am Ende mehr stehen sollte als die Aussage, ein Diktator sei gestürzt worden.

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