Die letzte Fahrt der Piraten

Die Piratenpartei muss das Superwahljahr 2011 nutzen, um in einen Landtag einzuziehen. Sonst wird sie endgültig von der Bildfläche verschwinden. Sie braucht jetzt Köpfe, Fokus – und etwas Glück.

Vor zwei Jahren haben viele die Piraten noch mit den Grünen verglichen, heute redet keiner mehr über sie. Umso erstaunlicher ist, dass die Partei bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg noch 2,1 Prozent aller Stimmen erreichen konnte, im Vergleich zur Bundestagswahl 2009 waren das allerdings 0,5 Prozent weniger. Daraus einen Trend ablesen zu wollen, ist verfrüht. Die Zeichen stehen für die Partei dennoch auf Sturm.

Denn fehlende Medienaufmerksamkeit und sinkende Wahlergebnisse sind Symptome für ein tieferliegendes, strukturelles Problem der Piratenpartei: Sie hat die Deutungshoheit über das Thema Datenschutz verloren und es nie geschafft, sie bei anderen Themen zu erringen.

Über Ilse Aigner und ihre naiven Tiraden gegen Facebook können sich die Piraten noch so sehr lustig machen. Es ändert nichts am Ergebnis. Aigner hat das Thema besetzt – jedenfalls in der Wahrnehmung derjenigen Bürger, die nicht auf Twitter sind oder sich in der netzpolitischen Gemeinschaft engagieren. Dort wo Aigner nicht aktiv wird, füllt FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger die Lücken, etwa bei der Vorratsdatenspeicherung oder dem SWIFT-Abkommen zwischen EU und USA über den Austausch von Bankdaten.

Auch bei anderen Themen konnte die Piratenpartei kaum punkten. Sie konnte sich gar nie einigen, ob sie da überhaupt punkten wollte. Nach der Bundestagswahl begannen die Piraten darüber zu streiten. Fast wie bei den Grünen war das, Realos gegen Fundis. Nur, dass das bei den Piraten Kernis gegen Vollis hieß. Die Kernis wollten sich auf die Grundthemen der Partei beschränken, die Vollis ein Vollprogramm entwickeln. So verbrachten die Piratenpartei das vergangene Jahr mit Debatten über die inhaltliche Ausrichtung. Erst auf dem Bundesparteitag im November konnten sich die Vollis durchsetzen. Das war allerdings für die Piraten zu spät, um sich auf das vorbereiten zu können, was in diesem Jahr kommen wird: noch fünf Landtagswahlen.

Zudem kommen Personalprobleme. Markus Beckedahl hat das im Interview mit DLF-Reporter Philip Banse gut analysiert: „Die Piraten diskutieren nur über Strukturen und Köpfe und dabei fehlen ihnen auch noch charismatische Köpfe, die ihre Themen eloquent nach außen vertreten können.“ Als wäre das nicht genug, scheint einer der wenigen bekannten Köpfe der Partei, Bundesvorsitzender Jens Seipenbusch, derzeit nicht auf Anfragen zu reagieren. Stattdessen muss der politische Geschäftsführer Christopher Lauer Rede und Antwort stehen. Vertrauen schafft die Partei so nicht.

Für die Piratenpartei geht es in diesem Jahr um alles. Zieht sie in einen der der fünf Landtage ein, hat sie wieder die Aufmerksamkeit, die sie braucht. Aber da beißt sich die Katze in den Schwanz. Denn ohne Aufmerksamkeit wird es keine Wahlerfolge geben.

Aber es gibt Auswege: Köpfe, Fokus, Glück.

Erstens, die Partei muss sich schleunigst einen profilierten, charismatischen Sprecher zulegen, einen, der die Piratenpartei und ihre Themen nach außen präsentiert. Eine Wahl allein über die Themen zu gewinnen, ist nur unter optimalen Bedingungen möglich – und diese sind angesichts der Konkurrenz um das Thema Datenschutz nicht gegeben.

Zweitens, die Piraten dürfen sich nicht verzetteln. Sie müssen ihre wenigen Ressourcen dort einsetzen, wo sie am ehesten in den Landtag einziehen können. Und das ist in Berlin, in der Metropole. Nur dort ist die Zahl der netzaffingen Jungen, der Stammwähler der Piraten groß genug. Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg sind zu ländlich geprägt. In Bremem holten die Piraten bei der Bundestagswahl 1 Prozent weniger als in Berlin.

Drittens, der Faktor, den die Piraten nicht beeinflussen können: die Konkurrenz. Falls der neue CSU-Innenminister die Abteilung Attacke auch auf dem Gebiet der Netzpolitik eröffnet, wäre das Pech für das Land, aber ein Glücksfall für die Piratenpartei, da die Bürger in diesen Fragen eher nicht mehr den Regierungsparteien CSU und FDP, sondern der Opposition vertrauen würden.

Auf ihr Glück allein können sich die Piraten aber nicht verlassen. Die Piraten müssen daher einen charismatischen Kopfe am richtigen Ort in den Wahlkampf schicken. Dann haben sie eine Chance.

Tun die Piraten das nicht, sind sie in diesem Jahr zu ihrer vorerst letzten Fahrt aufgebrochen.

Korrigiert: Der politische Geschäftsführer der Piratenpartei heißt Christopher Lauer, nicht Christoph Hauer. Dank an Philip Banse für den Hinweis.