Selbstzerstörung im Autopilot – 5 Zeichen, dass die US-Macht gerade implodiert

Viel Tinte wurde schon verbraucht, um den vermeintlichen Abstieg der USA zu beschreiben. Viele Analysen stützten sich dabei auf das Unvermeidliche: den Aufstieg Chinas, Indiens, Brasiliens. Die USA verlierten ihre Macht relativ zu anderen Ländern, nicht absolut. Im Moment ändert sich das. Die Vereinigten Staaten büßen an substantieller Kraft ein. Das ist nicht unvermeidlich, das ist ein hausgemachtes Problem. „Selbstzerstörung im Autopilot – 5 Zeichen, dass die US-Macht gerade implodiert“ weiterlesen

Merkel und Obamas Syrien-Pläne – als hätte es den Kosovo-Krieg nicht gegeben

Deutschland stützt den Syrien-Kurs von Barack Obama nicht. Angela Merkel hat das entsprechende Positionspapier als einzige europäische Staatschefin nicht unterzeichnet. Spiegel Online schreibt (ohne Autorenkennzeichnung):

„Offenbar hatte Merkel erwartet, dass auch andere Europäer nicht unterschreiben würden. Sie will zunächst eine gemeinsame Haltung der Europäischen Union finden, so heißt es aus der Bundesregierung.“

Merkel wusste nicht, wie Deutschlands Bündnispartner zu Syrien stehen, obwohl es in den letzten Tagen kein anderes Thema gab und klar war, dass Syrien beim G-20-Gipfel eine Rolle spielen wird. Wenn das stimmt, dann – egal, was inhatlich beschlossen wurde – ist das schlechtes Handwerk. Ein Anfängerfehler im 8. Jahr der Kanzlerschaft.

Viel wahrscheinlicher aber ist, dass Merkel das Papier aus wahlkampftaktischen Gründen nicht unterschrieben hat – und der Verweis auf die Europäische Union nur eine Finte ist, um davon abzulenken. Sie wird nicht vergessen haben, wie die Deutschen sie kritisierten, als sie den Irak-Krieg der USA unterstützte.

Auf Zeit Online tobt Politik-Chef Bernd Ulrich. Er sieht in der Syrien-Entscheidung den „Tiefpunkt von Merkels Kanzlerschaft“:

Ein begrenzter militärischer Einsatz, an dem man nicht mal teilnehmen muss, ausgeführt durch einen alles andere als kriegslüsternen Präsidenten, gerichtet gegen ein evidentes Verbrechen – einfacher kann man es nicht haben, einen Bündnispartner zu unterstützen. Dass Angela Merkel sich trotzdem verweigert, weil sie im Wahlkampf ist, markiert den bisherigen Tiefpunkt ihrer Kanzlerschaft. Glaubt sie eigentlich, dass Deutschland nie mehr Freunde brauchen wird?

Der erste Kommentar unter dem Artikel übrigens:

Ich finde, die Kanzlerin hat das einzig Richtige getan, egal, wie sich Opportunisten entscheiden. Meinen Respekt hat sie dafür.

Diese Diskussionen erinnern stark an 1998 als Deutschland mit sich gerungen hat, ob es sich am Krieg gegen Serbien beteiligt, um die ethnischen Säuberungen im Kosovo zu stoppen. Nur, dass wir jetzt 2013 haben.

NACHTRAG, 7.9.2013, 17 Uhr.

Deutschland will die Syrien-Erklärung nun doch unterschreiben. Das hat Guido Westerwelle erklärt – und dabei nocheinmal bekräftigt, dass Deutschland eine gemeinsame Haltung der EU abwarten wollte. Die EU-Regierungen forderten die USA auf nicht anzugreifen, ehe die UN ihren Bericht abgeliefert haben.

Die Erklärung hat Augen Geradeaus.

Bildquelle: Flickr

lkw der bundeswehr im frühjahr 2013 in kahramanmaras, türkei, teil des patriot-kontingentes der nato

Warum Deutschland bei einem Angriff auf Assads Syrien dabei sein wird

lkw der bundeswehr im frühjahr 2013 in kahramanmaras, türkei, teil des patriot-kontingentes der nato

Die USA verstärken ihren Druck auf Syrien, gerade hat ihr Außenminister John Kerry gesagt, dass die USA Beweise für einen Giftgasangriff hätten. Die Militär-Planer feilen wohl schon an der Einsatz-Strategie. Und Deutschland wird dabei sein.

Der LKW oben im Bild ist gewissermaßen der Grund. Denn er ist Teil des deutschen Patriot-Abwehrraketen-Kontingentes in Kahramanmaras, in der Süd-Türkei. Ich hatte die deutschen Truppen dort im April besucht und mir die strategischen Hintergründe des Einsatzes angeschaut: Er dient vor allem der Beruhigung der Türkei, die Assad schon lange stürzen will. Die Bundesregierung betonte allerdings immer wieder, dass der Einsatz rein defensiv sei. Aber schon damals war klar:

Entscheidend dürfte jedoch nicht sein, was die Deutschen sagen, sondern wie das Regime den Nato-Einsatz auffasst. Assads Flugzeuge flögen seit der Stationierung der Patriot-Batterien „in regelmäßigen Abständen“ auf die Grenze zu, berichtet Marcus Ellermann [Der Kommandant – R.G.]. Abfangjäger stiegen auf und erst kurz vor türkischem Gebiet würden die Syrier dann wieder abdrehen. „Sie testen unsere Alarmreaktion“, sagt Ellermann dazu. Das ist eine militärisch korrekte Beschreibung durch den Kommandanten. Das politische Signal ist allerdings ein anderes: Assad zeigt damit in regelmäßigen Abständen den Nato-Truppen den Mittelfinger.

Sollte Assads Regime angegriffen werden, unter Nato-Kommando oder durch einen losen Koalitions-Verbund von USA, Großbritannien, Türkei, vielleicht Frankreich, dann wird Baschar al-Assad keine Unterscheidung machen zwischen den direkten Angreifern und ihren Verbündeten – und vor allem nicht zwischen türkischen Soldaten auf türkischem Boden und deutschen Soldaten auf türkischem Boden.

Der einzige Ausweg wäre der Abzug der deutschen Patriot-Truppen, aber das kann sich Deutschland nach seiner sachlich wohl begründeten, aber bündnispolitisch katastrophalen Enthaltung in der Libyen-Frage nicht mehr leisten. Deswegen gibt es für Angela Merkel kein „Syrien-Dilemma“ wie Hans Monath im Tagesspiegel schreibt.

Deutschland wird dabei sein, weil es längst dabei ist.

thomas w. bundeswehr active fence syrien türkei patriot 2013 april

Thomas W.

thomas w. bundeswehr active fence syrien türkei patriot 2013 april

Das ist Thomas W.  Er ist einer von 300 Bundeswehr-Soldaten, die zu der Nato-Mission „Active Fence“ in der Südtürkei gehören.  Dort sollen sie die Zivilbevölkerung gegen Raketenangriffe aus Syrien schützen, ihr eigentlicher Gegner ist aber ein anderer: die Langeweile.

Lest meine Reportage über die deutschen Truppen in der Türkei hier.