Wütende Welt – Diese Karte zeigt (fast) alle Proteste seit 1979

Wenn es so etwas wie „politische Erdbeben“ gibt, dann sind die Mitarbeiter der Global Database of Events, Language, and Tone (GDELT) die Seismografen. Sie versuchen jeden politischen Protest der Erde zu kartografieren. Sie messen das Völkerzittern.

Der Politikwissenschaftler John Beieler hat diese Daten visualisiert. Seine Karte zeigt deutlich, dass die Proteste auf der Welt zugenommen haben. Es gibt sowohl mehr Proteste als auch mehr Proteste an verschiedenen Orten der Welt. Allerdings gibt es Einschränkungen bei der Interpretation der Karte:

  1. Die Daten stammen aus internationalen Nachrichtenquellen. Das heißt: Worüber nicht berichtet wurde, das findet sich auch nicht auf der Karte. Deswegen dürfte etwa Polen in den 1980er Jahren überraschend schwarz sein. Es kann zwar viele Demonstrationen gegeben haben, von denen hat die Welt aber kaum erfahren, weil die Regime-treuen Medien nicht darüber berichtet haben.
  2. Da die Daten nicht händisch, sondern mit Algorithmen verarbeitet wurden, wird plötzlich Wichita in Kansas, USA, zu einem der unruhigsten Orte der Erde. Dort landeten alle US-Proteste, bei denen die Computer keine Ortsmarke finden konnte.
  3. Die Proteste können zugenommen haben, müssen sie aber nicht. Foreign Policy zitiert einen GDELT-Mitarbeiter:

„In some other work we are doing right now, preliminary results suggest that as a percentage of all events captured in GDELT, protests have not become more common overall,“ he explained. „So, the majority of that increase in protest events over time stems from the increase in available digital media,“ especially news.

Aber, es ist ein Anfang. Wenn die Daten besser werden, wird auch die Aussagekraft der Karte besser.

SW #107

Kurz vor seiner Abreise lernte er den berühmten Georg Forster kennen, einen dünnen, hustenden Mann mit ungesunder Gesichtsfarbe. Er hatte mit Cook die Welt umrundet und mehr gesehen, als irgendein anderer Mensch aus Deutschland, jetzt war er eine Legende, sein Buch war weltbekannt, und er arbeitete als Bibliothekar in Mainz. Er erzählte von Drachen und lebenden Toten, von überaus höflichen Kannibalen und Tagen, an denen das Meer so klar war, das man meinte, über einen Abgrund zu schweben, von Stürmen, so heftig, dass man nicht zu beten wagte. Melancholie umgab ihn wie ein feiner Nebel. Er habe zu viel gesehen, sagte er. Eben davon handle das Gleichnis von Odysseus und den Sirenen. Es helfe nichts, sich an den Mast zu binden, auch als Davongekommener erhole man sich nicht von der Nähe des Fremden. Er finde kaum Schlaf mehr, die Erinnerungen seinen zu stark. Vor Kurzem habe er Nachricht bekommen, dass sein Kapitän, der große und dunkle Cook auf Hawaii gekocht und gegessen worden sei. Er rieb sich die Stirn und betrachtete die Schnallen seiner Schule. Gekocht und gegessen, wiederholte er.

Er wolle auch reisen, sagte Humboldt.

Foster nickte. Mancher wolle das. Und jeder bereue es später.

Warum?

Weil man nie zurückkommen könne.

Daniel Kehlmann, “Die Vermessung der Welt”